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Ein erhaltener Bunker der Wetterau-Main-Tauber-Stellung in Aschaffenburg-Nilkheim - die neuen Erkenntnisse

Arbeitskreis Bunkerforschung zur Wetterau-Main-Tauber-Stellung:
Bernd Chodera, Martin Seltmann

 

Aufgrund der wertvollen und konstruktiven Kritik auf den oben genannten Artikel, wurden intensive Recherchen an Originaldokumenten im Bundesmilitärarchiv durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass viele der in dem obigen Artikel gemachten Aussagen über die Planung und Erstellung der Stellung vor Aschaffenburg bzw. der Anlage Nr. 224 am Nilkheimer Bahnhof, offenbar so nicht den Tatsachen entsprechen.

Im Folgenden sollen deshalb ergänzend einige neue Erkenntnisse, die mit diesen Einrichtungen in Zusammenhang stehen, näher erläutert werden.

Zweckdienlicherweise sollen die Anlagen nun mit ihrer ursprünglichen Nomenklatur der Planungsphase im Jahr 1936 angesprochen werden. Die Anlagen im Mainbogen westlich Aschaffenburg Nr. 223,  224 und 225 wurden als A d, A h bzw. A i bezeichnet. Die laufende Nummerierung der errichteten Anlagen wurde erst nach Ausbauende eingeführt.

Im Gegensatz zu den Angaben, die in der Arbeit von Matthias Schneider in den 1990er Jahren gemacht wurden, bildeten in den Planungsjahren 1935/36 lediglich einige wenige Grundbautypen die Grundlage für die doch teilweise sehr abgewandelten Entwürfe, die sich noch heute in der Stellung finden. Diese Grundbautypen, die zunächst nur nach ihrer Funktion (z. B. MG-Schartenstand usw.) unterschieden wurden, trugen noch keine Regelbaunummern (z.B. MG-Schartenstand = Regelbau 1) sondern wurden bis Ende 1936 bestimmten Zeichnungsnummern zugeordnet. Diese Zeichnungsnummern wurden seinerzeit als Regelbaubezeichnung verwendet, gaben jedoch keinerlei Auskunft über Abwandlungen bzw. Besonderheiten bezüglich eines bestimmten Bauwerkes.

Eine Zeichnungsnummer ist als eine Art Kodierung anzusehen, mit der Bauwerkstyp, Art des Bauteils sowie das Jahr in dem der Entwurf seine Gültigkeit erlangte, definiert wurden. Somit ist beispielsweise ein MG- Schartenstand ohne Bereitschaftsraum und flankierende Anlage aus dem Jahr 1935 ein Bauwerk nach Zeichnungsnummer 105 B8.

Aufgrund der hohen Aktivitäten, sowohl beim Bau der Neckar-Enz-Stellung als auch der Wetterau-Main-Tauber-Stellung in den Jahren 1935/36, wurde auf Basis dieser Zeichnungsnummern eine fast unüberschaubare Vielzahl von Einzelentwürfen erstellt. Im Prinzip waren fast keine der Anlagen genau baugleich, wie man es dann bei späteren Bauprogrammen kennen lernen sollte.

Ab November 1936 wurden von den Festungspionieren Regelbaulisten erstellt, in die Entwürfe der vorherigen Jahre einflossen und die dann mit einer eigenen Zeichnungsnummer versehen wurden. Die Nummern erhielten nun u. a. das Kürzel B9. So wurde beispielsweise der MG-Schartenstand nach der Zeichnung 105 B8 weiter entwickelt und unter der Zeichnungsnummer 170 B9 als neuer Einheitsbau/Regelbau mit der Kurzbezeichnung B1-1 geführt.

Von diesem Zeitpunkt an verloren die Zeichnungsnummern an Bedeutung, da die Bauwerke durch die neu eingeführten Kurzbezeichnungen ausreichend beschrieben waren. Die ersten dieser neuen, tatsächlichen Regelbauten ähnelten zum Teil noch sehr den Entwürfen von 1935/ 36.

Einerseits wurden damit nun bestimmte bauliche Neuerungen und Anforderungen der Anlagen festgelegt, andererseits hoffte man nun, die aufwendigen Planungsphasen und die langen Bauzeiten der früheren Einzelentwürfe zu vereinfachen und zu verkürzen. Änderungen an diesen neuen Entwürfen gab es zwar nach wie vor, sie sollten aber eher die Ausnahme bleiben. Damit wurde ein wichtiger Schritt zum Ausbau der „neuen“ Weststellungen getan.

Bezogen auf die Planungen der Anlagen in der Stellung vor Aschaffenburg bedeutet dies, dass man zum Zeitpunkt des Entwurfes der Anlagen im August 1936 auf keine Grundbautypen von 1935 in Baustärke C zurückgreifen konnte. Dies führte dazu, dass man den Entwurf des entsprechenden B1- Bauwerkes so weit veränderte, bis er den gewünschten Anforderungen entsprach. So geschah es schließlich, dass nun Bauwerke errichtet wurden, die in Art und Ausführung völlig unterschiedlich zu ihren Grundbautypen waren, aber dennoch deren Zeichnungsnummer trugen.

Die Bauvorgaben für Bauwerke in Baustärke C des Baujahres 1936 ließen den Bauherren einen sehr großen Spielraum in ihrer Konstruktion. Beispielsweise war der Einbau einer Gasschleuse im Vergleich zu den B1- Bauten nicht zwingend vorgeschrieben. Auch auf die Gestaltung teurer und aufwendiger Eingangsverteidigungen/ flankierender Anlagen durfte verzichtet werden. Bei dieser Art von Neuentwürfen handelte es sich also weitestgehend um taktisch-strategische Anpassungen an den jeweiligen Standort und die Aufgaben der Anlage. Durch die nachträglichen Änderungen der Festungsinspektionen wissen wir aber auch, dass kleinste Einsparungen von Material und somit Kosten für die Entwicklung der Bauten entscheidend waren.

Mit der Stellung vor Aschaffenburg, die als sog. Vorpostenstellung bezeichnet wurde, sollte ein schneller gegnerischer Vormarsch in den Mainbogen verzögert werden. Dazu kamen drei Bauwerke nach obiger Verfahrensweise zur Ausführung, deren strategischer Vorteil im Überraschungsmoment gesehen wurde. Durch den niedrigen Bauwerksaufzug im Gelände, bedingt durch die geringe Deckenstärke von nur 50 cm, waren diese Bunker auf nahezu alle erdenklichen Arten zu tarnen.

Der Schartenstand mit Bereitschaftsraum A d wurde auf Grundlage der Zeichnungsnummer 106 B8 gefertigt. Er verfügte weder über eine Gasschleuse, noch über eine zweckdienliche Eingangsverteidigung und war, wie alle Bauten dieser Stellung, in Baustärke C gefertigt. Sein Bereitschaftsraum diente zur Unterbringung der fünfköpfigen MG- Bedienung und einer Einheitsgruppe für den offenen Einsatz. Das Bauwerk befand sich auf freiem Wiesengelände an der Darmstädter Strasse und wurde durch die übliche Erdanschüttung und durch Anpflanzung von Buschwerk getarnt. Der Bunker bildete die rechte Flanke der Stellung und sollte seine Feuerwirkung auf das offene Wiesengelände mit Hafenbahn sowie die Strasse nach Babenhausen entfalten, die außerdem durch eine TAK (Tankabwehrkanone) im offenen Einsatz bestrichen werden sollte. Die Einheitsgruppe sollte das Gelände vom Schönbusch bis zum Main sichern.

Der Schartenstand ohne Bereitschaftsraum A h wurde auf Grundlage der Zeichnungsnummer 105 B8 gefertigt. Auch dieser Stand verfügte weder über eine Gasschleuse, noch über eine Eingangsverteidigung und war zur Unterbringung der fünfköpfigen MG- Bedienung ausgerüstet. Hierfür standen wegen der geringen Raumhöhe von 1,9 Meter zweimal zwei Klappbetten, sowie eine Hängematte zur Verfügung. Es kann also beim MG-Schartenstand A h nicht von einem C-1 Stand mit Zeichnungsnummer 505 B01 gesprochen werden, da diese Bezeichnungen zum Zeitpunkt seines Baus noch nicht existierten. Ebenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass die Anlage zur Unterbringung eines Zugführers vorgesehen war.

Die Tarnung des Standes A h wurde sehr aufwendig gestaltet. Nach den von der Inspektion der Westbefestigungen am 05.09.1936 genehmigten Entwürfen sollte der Bunker wohl ursprünglich vor der Laderampe errichtet werden und mit zusätzlichen Erdanschüttungen getarnt werden. Die Einrückung in die Rampe um eine Bunkertiefe wurde wohl erst nachträglich genehmigt. Der Bunker wurde an der Schartenseite und an seiner linken Seite mit 25 cm starkem Bruchsteinmauerwerk verblendet. Die Schartenöffnung wurde hinter unvermauerten Steinen verborgen und der Eingang mit einer Holztür verblendet, wodurch der Bunker äußerlich nicht mehr als solcher zu erkennen war (Abbildung 1). Der Schartenstand sollte durch sein MG das Wiesen- und Ackerland nach Südwesten und die Chaussee nach Großostheim sichern. Flankenschutz sollten die Einheitsgruppen von A i und A g (nicht ausgeführt) gewährleisten.

Bei der Anlage A i handelte es sich 1936 um einen Gruppenunterstand, der auf Grundlage der Zeichnungsnummer 117 B8/ II gefertigt wurde. Einem Auslaufmodell, da ab 1937 prinzipiell Gruppenunterstände ohne MG-Kampfraum nicht in die neue, überarbeitete Regelbauliste übernommen wurden. Trotz der Ausführung in Baustärke C verfügte der Bunker über eine Gasschleuse und somit auch über eine, auf die Gasschleuse wirkende, innere Eingangsverteidigung. Der Bereitschaftsraum für die Einheitsgruppe war zur zusätzlichen Aufnahme eines fünfköpfigen sMG- Trupps in seiner Tiefe verlängert worden. Wegen der Lage des Bunkers, hinter dem Bahndamm der Bahnstrecke Schönbusch – Aschaffenburg wurde auf die Anlage der sonst bei diesem Typ üblichen offenen Beobachtungsnische verzichtet. Die Besatzung sollte im offenen Einsatz das unübersichtliche Gelände zwischen Main und Großostheimer Strasse sichern. Ebenfalls sollte hier eine offene Tankabwehrkanone zum Einsatz kommen.

Offenbar wurden vom Festungs-Pionierstab 14 im August 1936 in diesem Abschnitt noch drei weitere Anlagen geplant, die jedoch nicht mehr zur Ausführung kamen. Dabei handelte es sich um die Bunker A e (Unterstand für Einheitsgruppe), A f (MG-Schartenstand) und A g (Unterstand für Einheitsgruppe). Diese Anlagen sollten laut Erläuterungsbericht  im Park Schönbusch errichtet werden und mit ihren Besatzungen die Flanken der Anlagen A d bzw. A h  decken.

Ob die Anlagen A e- A g nicht mehr ausgeführt wurden, weil es sich teils um Unterstände ohne MG-Kampfraum handelte, oder sie einfach dem Ausbaustopp der Stellung zum Opfer vielen, lässt sich z. Zt. nicht mit Sicherheit feststellen. Letzteres scheint jedoch am wahrscheinlichsten.

Quellen:

BAM-RH 32/v.1806   Abgekürzter Bauentwurf A d

BAM-RH 32/v.1808   Abgekürzter Bauentwurf A h

BAM-RH 32/v.732     Abgekürzter Bauentwurf A i

BAM-RH 32/v.150     Bildband zum Tagebuch des Fest.Pi.St.14

BAM-RH 2/ v.55        u.a. Einführung der Regelbauten ab 37

Bettinger, Dieter- Büren, Martin: Der Westwall - Die Geschichte der deutschen Westbefestigungen im Dritten Reich, Band II: Der Bau des Westwalles1936-1945;

Biblio Verlag, Osnabrück 1990

Schneider, Matthias: Little Siegfried Line: Die Geschichte der Wetterau-Main-Tauber-Stellung; Roderer Verlag, Regensburg, 1997

Abb.1: Die Anlage A h (Nr.224) am Nilkheimer Bahnhof nach ihrer Fertigstellung

(aus: BArch, RH 32/v.150, S.76.)